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Referat: Vergangenheitsbewältigung und Schuldproblematik in Bernhard Schlinks Roman "Der Vorleser"

Alles zu Bernhard Schlink  - Der Vorleser

Bernhard Schlink, Der Vorleser


Zum Autor:

  • *1944 in Bielefeld
  • 1981 Professor an Berliner Humboldt – Universität
  • Verfassungsrichter in NRW
  • Herausgabe juristischer Fach und Lehrbücher
  • 1989 Verleihung des Autorenpreis deutscher Kriminalliteratur für "Die Gordische Schleife"
  • 1993 Deutscher Krimi-Preis des Bochumer Krimi-Archivs
  • 1997 Grinzane-Cavour Preis (Vorleser)
  • Fallada – Preis
  • Prix Laure Bataillon (Vorleser)
  • 1999 Verkauf der Filmrechte an Hollywood (für den Vorleser)
  • Literaturpreis der Tageszeitung
  • 2000 Evangelischer Buchpreis
  • Ehrengabe der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Gesellschaft

Werke:
  • Liebesfluchten
  • Selbs Betrug
  • Die Gordische Schleife
  • Selbs Justiz

Inhalt:

1.Teil:
Der 15-jährige Ich-Erzähler und Schüler Michael Berg ist an Gelbsucht erkrankt und übergibt sich in Folge dieser Krankheit auf der Straße, wobei ihm daraufhin eine Frau hilft und ihn nach Hause bringt. Als er sie nach der Krankheit besucht, um sich zu bedanken wird er durch das Aussehen der 21 Jahre älteren Hanna Schulz sehr erregt und verlässt fluchtartig die Wohnung. Nach einer Woche kehrt er wieder zurück und es kommt zum Sexualkontakt.

Hanna ist von peinlicher Sauberkeit, deshalb ist das tägliche Ritual immer vom Duschen vor dem Sex bestimmt. Auf Wunsch Hannas liest er ihr die im Deutschunterricht behandelten Lektüren vor, für die sie sich interessiert.
Der Ablauf der Treffen entwickelt sich zu einem Ritual: "Vorlesen, duschen, lieben und noch bisschen beieinander liegen" (S.43).
Zu dieser Zeit der Bekanntschaft sind viele Hinweise darauf zu finden, dass Hanna Analphabetin ist..
Bei ihren Streitigkeiten gibt Michael immer nach, und spürt, dass Hanna große Macht über ihn hat, er von ihr abhängig, ihr sogar hörig ist.. Im weiteren Verlauf dieser Beziehung wird Michaels Hörigkeit immer deutlicher.
Er hatte inzwischen gute Kontakte zu Klassenkameraden gewonnen, besonders zu der Mitschülerin Sophie. Eines Tages ist Hanna verschwunden. Michael’s Nachforschungen ergeben, dass sie sich beim Meldeamt abgemeldet hat, um nach Hamburg zu ziehen. Dieses plötzliche Verschwinden empfindet Michael als Strafe dafür, dass er sich nicht öffentlich zu der viel älteren Geliebten bekannt und sie Verraten hat.

2.Teil:
Michael beschreibt die schwere Zeit nach Hannas Verschwinden, seine geistig-seelische und körperliche Abhängigkeit. In dieser Situation empfindet er die Arbeit bis zum Abitur als mühelos, ebenso sein Studium der Rechtswissenschaft. Im Wesen scheint er sich zu ändern. Nach der erfahrenen Abhängigkeit hat er nun ein starkes Bedürfnis nach Bindungslosigkeit. Er zeigt seinen Mitmenschen gegenüber "ein großspuriges, überlegenes Gehabe"(S. 84), "ein Nebeneinander von Kaltschnäuzigkeit und Empfindsamkeit"(S. 85).
Im Rahmen seines Studiums besucht er einen NS-Prozess. In diesem Prozess sieht er Hanna als eine von fünf Angeklagten wieder. Obwohl er sie sechs Jahre vorher so vermisst hat, fühlt er beim Wiedersehen nichts.

Die Angeklagten waren Aufseherinnen in einer Nebenanlage von Ausschwitz, in denen Frauen lebten die zur Zwangsarbeit verurteilt wurden. Die Anklage wirft vor, dass die Aufseherinnen regelmäßig sechzig Frauen auswählen mussten, die nach Ausschwitz zurückgeschickt wurden , was den sicheren Tod bedeutete.
Die zweite Anklage wirft das Verhalten der Aufseherinnen vor, die Türe der Kirche, in der die Frauen über Nacht eingesperrt waren, bei einem Brand nicht aufgesperrt zu haben und fast alle darin den Tod fanden.
Beim Prozess zeigt sich, dass Hanna die Anklageschrift nicht kennt und die Mitangeklagten ihre Unsicherheit ausnutzen, um ihr die Hauptverantwortung zuzuschieben. Besonders belastet wird sie dadurch, dass sie schwache Mädchen vorlesen ließ, und sie nachher nach Ausschwitz zurückschickte. Als Hanna ein Schriftvergleich droht, der ihren Analphabetismus aufgedeckt hätte, gibt sie vor, den Bericht verfasst zu haben, obwohl dies nicht stimmt.
Michael wird Hannas Analphabetismus bewusst, spricht aber nicht darüber. Mit der Urteilsverkündung – lebenslänglich für Hanna – schließt der 2. Teil des Romans

3.Teil:
Nach dem Prozess stürzt sich Michael wie besessen in sein Studium. Er lebt einsam, fühlt sich wie betäubt von den Erlebnissen. Diese Betäubung geht so weit, dass er im T-Shirt Ski fährt ohne dabei zu frieren. Als er daraufhin krank im Krankenhaus liegt, kümmert sich Gertrud, eine Studentin, um ihn und wird seine Freundin.
Nach der Genesung hat die Betäubung Michael verlassen. Er leidet nun unter seinen Erlebnissen mit Hanna und dem Prozess. Zur Gegenwart hat er ein distanziertes Verhältnis. Er macht seine Examen in der 68-Zeit, der genannten Studentenbewegung gegen den Vietnamkrieg und der Zuweisung der Kollektivschuld für Naziverbrechen. Er lehnt die Selbstgerechtigkeit der 68er Generation jedoch ab.
Er heiratet seine schwangere Freundin Gertrud, doch insbesondere die Prägung durch Hanna führt dazu, dass die Ehe nach etwa fünf Jahren geschieden wird. Beim Zusammensein mit anderen Frauen hat Michael den Eindruck, dass diese im Vergleich zu Hanna "falsch" riechen, schmecken und sich "falsch" anfühlen.
Nach der Referendarzeit schlägt Michael die wissenschaftliche Laufbahn eines Rechtshistoriker, mit dem Forschungsgebiet "Recht im 3. Reich" ein.
In der Zeit vom 8. Bis zum 18. Jahr von Hannas Haft liest er ihr Literatur sowie selbst Geschriebenes auf Kassetten vor und schickt sie ihr, wobei er jedes persönliche Wort vermeidet . Währenddessen lernt Hanna im Gefängnis lesen und schreiben und schickt ihm regelmäßig Kommentare die Sinn für Literatur beweisen.
Ein Jahr vor Hannas Entlassung erhält er einen Brief der Gefängnisleiterin, in dem sie ihn bittet, sich um Hannas Integration in den Lebens- und Arbeitsprozess zu kümmern. Er bereitet alles vor (Wohnung, Arbeit) und besucht sie eine Woche vor ihrer Entlassung. Vom Wiedersehen ist er enttäuscht und empfindet sie als dickliche, ungepflegte alte Frau und möchte sie auf Distanz zu sich halten.
Hanna erhängt sich einen Tag vor ihrer Entlassung. Die Gefängnisleiterin zeigt Michael die Literatur, die Hanna sich zu ihrer Aufarbeitung der Geschehnisse in der NS Zeit und der Nachkriegszeit angeschafft hat. Schließlich erhält Michael alle Ersparnisse Hannas (7000DM), die Michael der Tochter geben soll die mit ihrer Mutter den Brand in der Kirche überlebt hat. Michael und die Tochter einigen sich darauf, dass das Geld für eine jüdische Gesellschaft zur Bekämpfung des Analphabetismus verwendet werden soll.
Der Roman endet mit Reflexionen über das Motiv, die Geschichte aufzuschreiben, und mit der Feststellung, dass Michael – mit einer Ausnahme – nie Hannas Grab besucht hat.

Problem des Analphabetismus


1. Strategien Hannas zur Vertuschung ihres Analphabetismus
- Reagiert durch Ignorieren, erfindet Ausreden/ Begründungen für ihr Tun
- In die Enge getriebenen reagiert sie zornig, sogar brutal, ist empfindlich und verletzlich
- Wenn eine Entscheidung unausweichlich ist, flieht sie aus der Situation.
- Im Zusammenhang mit ihrer Vernehmung während des Prozesses wirkt sie verwirrt und ratlos.
- Andererseits kann sie auch keine Hilfe annehmen. Die Verdeckung ihrer Schwäche scheint primäres Ziel zu sein, dem sie alles unterordnet, selbst die Gerechtigkeit ihr gegenüber.
- Erst im Gefängnis gibt sie diesen Kampf auf und bewältigt ihr Problem: sie lernt lesen
und schreiben. Auch hier will sie ohne Hilfe der anderen auskommen und wählt den
mühsamen Weg des Selbststudiums.

2. Analphabetismus als Beziehungsstörung:
- Quelle zunehmender Irritationen Michaels
- Hannas Unberechenbarkeit

3. Analphabetismus als Strafverschärfung:
- Keine Reaktion auf Schreiben/ Vorladungen
- Kein Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zu ihrem Anwalt
- Unterschreiben unbekannter Dokumente
- Nimmt Schuld auf sich um dem Schriftvergleich zu entkommen

Schuldproblematik

Der Vorleser ist ein Buch, in dem Menschen auf vielfältige Weise schuldig werden und in sehr unterschiedlicher Weise mit der eigenen Schuld und der anderer umgehen. Der Roman zeigt sehr unterschiedliche Mechanismen des Verdrängens, Verweigerns von Verantwortung, der Ich-Bezogenheit von Menschen.

1. Schuld Hannas:
- Während ihrer Zeit als Aufseherin im KZ: Beteiligung an der Selektion der Gefangenen,
Brutalität, unterlassene Hilfeleistung bei der brennenden Kirche
- Michael gegenüber: Demütigung und Kälte, Schlagen mit dem Gürtel, Zuweisung lediglich eines sehr beschränkten Platzes in ihrem Leben
- Juristische Schuld: Verführung eines Minderjährigen, d.h. sexueller Missbrauch, da juristisch vom Ausnutzen einer fehlenden Fähigkeit zur Selbstbestimmung ausgegangen wird

2. Schuld Michaels:
- Liebe zu einer Verbrecherin
- Hanna gegenüber: Verrat durch Ausschluss aus seinem Leben, bzw. Zuweisung seinerseits einer kleinen Nische, Unterlassene Hilfe nach Erkenntnis ihres Geheimnisses, Vermeiden von Besuchen und persönlichen Kontakt
- Gertrud und Julia gegenüber: ständiger Vergleich mit Hanna nimmt der Beziehung die Basis, Verweigerung von Geborgenheit für Julia
- Dem Großvater gegenüber: Ablehnung von dessen Segen vor seinen Tod
- Dem Gesetz gegenüber: Diebstahl von Kleidungsstücken für die kleine Schwester und für Hanna

Vergangenheitsbewältigung

Hanna

- extreme Sauberkeit: Symbolisch für Rein waschen von der Schuld
- Bewusste Auseinandersetzung mit Literatur über das 3. Reich
- Versuch der Wiedergutmachung durch Geldspende
- Tod als Sühne

Michael
- Besuch des KZ’s Struthof als Versuch, sich mehr Anschaulichkeit über das Handeln der Menschen zu verschaffen
- Auseinandersetzung mit sich selbst, seiner Schuld und seinen Emotionen in Form eines Buches --> Verarbeitung nur teilweise, er macht aber seinen "Frieden" mit der Geschichte

Quellenangaben:

C.Bange Königs Erläuterungen
Klett Lektürehilfe
Stark Interpretationshilfe
Inhalt
Inhaltliche Zusammenfassung und Analyse des Romans "Der Vorleser" von B. Schlink. Es beschäftigt sich mit den Problemen des Analphabetismus; Schuldproblematik während und nach der NS Zeit und Vergangenheitsbewältigung. (1375 Wörter)
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