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Wahrheit und Lüge

Alles zu Arthur Schopenhauer

Philosophie Hausaufgabe


Lehrbuch Seite 44 und 258

- Wahrheit und Lüge -
Ist es gerechtfertigt und moralisch vertretbar, eine Notlüge zu gebrauchen oder hat der Mensch generell die Pflicht zu Wahrheit?
Welche Positionen vertreten Schopenhauer, Kant, die Utilitaristen, Stirner und die im Buch aufgeführten Philosophen?
Maria Hanstein GK 12 21.06.2007
„Der Erfinder der Notlüge liebte den Frieden mehr als die Wahrheit.“ (James Joyce)
Laut Lehrbuchdefinition ist eine Lüge eine absichtlich täuschende Aussage, durch welche das Verhältnis von (kleinen oder großen) Gemeinschaften belastet oder gestört werden kann, jedoch in den meisten Fällen nicht strafbar ist.
Viele Philosophen und Gelehrte haben sich mit dem Thema der Wahrheit und Lüge auseinander gesetzt und die Meinungen, die diese Problematik aufwirft weichen sehr voneinander ab.
Augustinus, welcher von 354 bis 430 lebte, und Kant (1724 – 1804) stimmen mit der oben angegebenen Definition von „Lüge“ überein, da sie der Meinung sind, dass jede Lüge moralisch unzulässig ist. Augustinus’ Ansicht nach, dient die Sprache zur Übermittlung von Gedanken und nicht zur Irreführung anderer. Dieser Standpunkt würde aber auch beinhalten, dass wir jegliche Ironie und Sarkasmus aus unserem täglichen Leben verbannen müssten, da wir dadurch auch Menschen direkt verwirren.
Er sagt jedoch auch aus, dass wir jemandem mit einer Lüge helfen können, dies aber – genau wie die Verwirrung durch eine Desinformation – eine Sünde ist.
Ich hingegen bin der Meinung, dass man es nicht als Sünde bezeichnen darf, wenn man durch eine Unwahrheit jemand anderen in einer Sache unterstützt und ihm somit evtl. aus einer verzwickten Lage hilft.
Nehmen wir doch nur einmal „das doppelte Lottchen“ als Beispiel. Zwei Mädchen, die zwar Zwillinge sind, sich jedoch nicht kennen und denken, der Elternteil, bei dem sie nicht leben, wäre tot, treffen sich durch Zufall in einem Ferienlager und vertauschen die Rollen, um den verloren geglaubten Vater bzw. die vermeintlich verstorbene Mutter kennen zulernen. Diese Handlung ist schon eine große Vortäuschung falscher Tatsachen, da zwei Menschen hierbei eine komplett andere Identität annehmen.
Allerdings dient diese Initiative einer guten Sache, da die Mädchen ein Recht darauf haben zu erfahren, wer sie wirklich sind, zu wem sie gehören, wer zu ihnen gehört, da es der Identitätsfindung dient.
Sie haben dabei niemandem wehgetan. Die Geschichte ist wie ein Puzzle, bei dem zwei wesentliche Teile fehlten und im Endeffekt eben durch diese „Notlüge“ gefunden wurden und zusammengefügt werden konnten.
An dieser Stelle möchte ich Franz Kafka zitieren, da dieser sagte: „Alles, selbst die Lüge, dient der Wahrheit; Schatten löschen die Sonne nicht aus.“
Somit stimme ich in dieser Hinsicht mit dem Philosophen Christian Wolff (1679-1754) überein, welcher nur Lügen, welche ein verwerfliches Ziel haben, als unmoralisch empfindet.
In der Bibel steht: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinem Nächsten!“ (9. Gebot), jedoch gibt es auch Menschen, die vielleicht wirklich die Wahrheit sagen wollen, es allerdings krankheitsbedingt nicht schaffen, da sie an Pseudologie leiden, einer Krankheit, die den Drang zum krankhaften Lügen und Übertreiben impliziert.
Peter Stiegnitz hat sich mit dem menschlichen Lügenverhalten beschäftigt und somit das sozialwissenschaftliche Psychologiegebiet „Mentiologie“ mehr oder weniger begründet.
In der Mentiologie wird die Lüge als bewusste Abwendung von der Wirklichkeit, ohne die Überschreitung der Grenzen zu unmoralischem Verhalten (bzw. nur in wenigen Fällen) definiert. Laut dieser Theorie ist das Gegenteil von Lüge nicht Wahrheit sondern Wirklichkeit.
Ich denke, dass man Menschen, die an solch einer Erkrankung leiden, nicht für Lügen verurteilen darf. Dessen ungeachtet muss man sie aber im Zusammenhang mit dieser Problematik erwähnen, da diese Menschen der Gesellschaft angehören und viele ihrer Gegenüber möglicher Weise nicht wissen, dass sie es mit einem pathologischen Lügner zu tun haben.
Ich habe erst vor kurzem in einem Internetforum gelesen, dass ein Mädchen 1 œ Jahre mit einem, an Pseudologie erkrankten Menschen eine Beziehung hatte, ohne von seiner Krankheit zu wissen. Erst nach langer Zeit fiel ihr auf, dass er sich in Widersprüchen verstrickte und konfrontierte ihn damit. Die Beziehung war aufgrund dieser Basis danach sofort beendet.
Benjamin Constant (1767-1830) betrachtet die Problematik von Wahrheit und Lüge aus einem ganz anderen Blickwinkel. Und ich denke, dass seine Sichtweise einen Teil der Definition von „Notlüge“ enthält, denn er sagt: „Die Wahrheit zu sagen, ist also eine Pflicht; aber nur gegen denjenigen, welcher ein Recht auf die Wahrheit hat.“. Natürlich ist diese Einräumung, die Constant in seiner Aussage macht, nicht mit der Einfügung, die wir heute, im 21. Jahrhundert, verwenden würden, vergleichbar, jedoch ist es schon deutlich mehr, als Kant eingeräumt hätte, denn für ihn ist eine „Wahrhaftgkeit in Aussagen, die man nicht umgehen kann, [ist] formale Pflicht des Menschen gegen jeden“, wobei es egal ist, ob dem Redner oder dem Gegenüber aus dieser Wahrheit ein Nachteil erwachsen könnte oder nicht.
Constant hat in seinem Text ein hervorragendes Beispiel, um Kants Auffassung zu kritisieren: Wenn ich von einem Mörder gefragt würde, ob der Mann, den er sucht, welcher ein Freund von mir ist, sich in meinem Haus versteckt hielte, sollte ich ihm laut Kant die Wahrheit sagen, da ich diese Antwort nicht umgehen kann. Damit würde ich meinen Freund dem Mörder ausliefern und nach dem staatlichen Recht würde ich mich selbst damit zum Mittäter machen, da ich dem Täter direkt geholfen hätte, sein Opfer zu ermorden.
Somit würde ich gleich zwei Menschen Schaden zufügen, nur weil ich die Wahrheit gesagt habe.
Kant argumentiert hierauf aber mit dem kategorischen Imperativ, welcher fordert, dass man nur nach denjenigen Maxime handeln soll, von der man auch wollen kann, dass sie zur Grundlage einer allgemeingültigen Gesetzgebung werde.
Die allgemeine Zulassung der Lüge, in welchen Ausnahmesituationen auch immer, würde allerdings die Verständigung zwischen Menschen und damit das Menschsein selbst permanent in Frage stellen, wie man in dem Beispiel Constant’s erkennen kann.
Utilitaristen, wie Jeremy Bentham (1748 – 1832), John Stuart Mill (1806 – 1876) und Peter Singer (geb. 1946), würden dieses Thema auch auf eine völlig andere Art und Weise betrachten.
Das Grundprinzip des Utilitarismus ist - allgemein gefasst – das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl zu erreichen.
Bleiben wir nun bei dem Beispiel des Mörders, der sein Opfer bei uns im Haus sucht, so wäre es laut Utilitarismus das größere Glück für die größere Zahl, wenn ich den Verbrecher anlügen würde, indem ich ihm erzählte, dass die von ihm gesuchte Person sich nicht in meinem Haus aufhält.
Anders sähe es zum Beispiel in der Politik mit Lügen aus (wobei da wohl jede der Theorien einen Riegel vorschieben würde, damit nicht einverstanden wäre; doch nun konkret zum Utilitarismus), denn würde Frau Merkel, unsere Bundeskanzlerin, uns anlügen, damit sie noch eine weitere Legislaturperiode auf dem Bundeskanzlerstuhl sitzen bleiben könnte, wäre das nur ihr Glück, und nicht das des deutschen Staates und in diesem Falle überwiegt quantitativ der Staat.
Daher gibt es also auch laut Utilitarismus Situationen, in denen das Lügen unterlassen werden sollte.
Arthur Schopenhauer (1788 – 1860) hat im Gegensatz zu den schon sehr vielseitigen Ansichten zum Thema der Unwahrheit, seine ganz eigene Theorie, warum Lügen schlicht weg verwerflich sind, jedoch auch nützlich sein könnte.
Für Schopenhauer dient die Lüge auch zur Willensbeeinflussung, was sowohl positiv als auch negativ sein kann.
Schopenhauer erkennt, dass jemanden belügen summa summarum nicht nur bedeutet, ihm etwas anderes zu sagen, als das was man selbst denkt oder als Wahrheit ansieht, sondern den anderen in seinem Willen, also im Endeffekt in seinem Verhalten zu beeinflussen und zu steuern. Die Desinformation führt diese Verhaltenssteuerung durch, weil sie den Gegenüber dazu bringt, etwas als seine Wahrheit zu akzeptieren, was nicht seine Wahrheit ist. Die Lüge nistet sich also im Bewusstsein des Anderen ein, verändert dessen Erkenntnisvermögen und unterwirft dadurch seinen Willen. Motivation ist also eine Lüge, weil sie für den Willen Motive vortäuscht, die nicht die Ursprünglichen waren, aber nun als die Eigenen dieses Willens erscheinen und akzeptiert werden. Jemanden motivieren zu wollen bedeutet nicht nur, einen anderen Willen für seine eigenen Zwecke umzuformen, dem anderen Motive unterzuschieben, die nicht seine sind, sondern (hier wäre eine Gemeinsamkeit zu Kant festzustellen) stellt auch eine Form der Verachtung des Anderen dar, da dessen Wille nicht als Wille akzeptiert, sondern - in welch guter oder vermeintlich guter Absicht auch immer - erst von außen geformt werden soll.
Dennoch betrachtet Schopenhauer die Lüge nicht ausschließlich als schlecht, denn durch diese Motivation kann auch Positives bewirkt werden, so kann man Menschen, genauso wie man sie zum Schlechten beeinflussen kann, zum Guten suggerieren.
Nichtsdestotrotz vertritt Schopenhauer die Ansicht, dass es Unrecht ist, durch eine Unwahrheit das Verhalten des Gegenübers zu beeinflussen, es jedoch in Ordnung ist, ihm eine wahre Antwort zu verweigern, da man ihm damit nicht direkt schadet.
Jedoch sagte der deutsche Literaturhistoriker und Philosoph Ludwig Marcuse einmal: „Die Unwahrheiten liegen oft nicht in dem, was man sagt, sondern in dem, was man nicht sagt.“, wodurch man auch an Schopenhauers Auffassung des Verschweigens als „Wohltat“ (bzw. besser als eine Lüge) Kritikpunkte fände.
Schopenhauer verabscheut Lügen, die anderen schaden könnten, sieht sie aber auch ähnlich wie die Notwehr an, also, dass sie in gewissem Maße gerechtfertig sind, insofern sie notwendig werden.
Philosophen wie Max Stirner (1806-1856), für die ein Prinzip wie „Nichts geht über mich!“ gilt, machten sich über die Problematik der Lüge wahrscheinlich eher weniger Gedanken. Egoisten machen alles so, dass sich das Resultat zu ihren Gunsten entwickelt. Also werden sie mit Sicherheit ziemlich oft lügen, einfach um immer das zu bekommen, was sie wollen. Sie machen sich das Leben so leicht wie möglich, indem sie nur an sich selbst denken und die Auswirkungen ihrer Handlungen nur auf sich bezogen betrachten.
Aus ihrer Sicht ist diese Einstellung auch gerechtfertigt. Warum an andere denken, wenn man genug mit sich zu tun hat?
Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, so werden wir erkennen, dass wir alle lügen und das auch ständig tun. Kleine Notlügen, warum man zu spät kommt, warum man nicht geschafft hat aufzuräumen, weshalb die Hausaufgaben nicht gemacht wurden, warum der Hund nicht draußen war und wegen vieler anderer trivialer Sachverhalte. Ich denke, niemand ist je an einer Notlüge gestorben (im übertragenden Sinne). Sicher, manchmal benutzen wir Notlügen, ohne sie wirklich zu brauchen, einfach aus Angst die Wahrheit zu sagen. Ein Junge macht zum Beispiel aus Unvorsicht den Fernseher kaputt, weil er ein darauf stehendes Glas Saft übersehen und umgestoßen hat. Aus Angst diese Unachtsamkeit den Eltern zu beichten, versucht er diesen zu erklären, er wisse nicht, warum der Fernsehapparat nicht mehr funktioniere. Aber nun ja, wir kennen ja alle den sechsten Sinn bei Müttern. Sie findet natürlich heraus, was er getan hat. Er bekommt Hausarrest - aber nicht, weil er den Fernseher funktionsunfähig machte, sondern weil er seine Eltern belogen und damit enttäuscht hat.
Der polnische Schriftsteller Wieslaw Brudzinski hat gesagt: „Die Lüge ist ein Double, das die Wahrheit in gefährlichen Situationen vertritt.“
Hierbei verhält es sich genauso wie bei einem Double eines Schauspielers. Doubles sind darauf ausgebildet, jede noch so schwierige Situation unbeschadet bewältigen zu können und jeden noch so gewagten Stunt zu überstehen ohne sich ein Härchen zu krümmen. Traut ein Schauspieler sich etwas nicht zu, so übernimmt das Double diese Szene, auch wenn der eigentliche Schauspieler dies aus rein körperlicher Sicht hätte schaffen können, wenn er nicht Angst gehabt hätte.
Und so erfinden wir aus Angst auch das ein- oder andere Mal eine Notlüge, auch wenn es evtl. gar nicht nötig wäre.
Wie vielleicht schon zum Ausdruck gekommen ist, vertrete ich nicht (so wie Kant) die Meinung, dass der Mensch generell die Pflicht zur Wahrheit hat. Ich persönlich habe schon sehr oft Notlügen gebraucht.
Mein Bruder und ich haben früher ziemlich oft im Wohnzimmer Fussball gespielt. Tore waren der Balkon und die Glasvasenvitrine meiner Mutter. Und ja, es ging nicht nur eine Vase zu Bruch, aber ich glaube wir konnten uns nur in einem Fall nicht rausreden, weil wir direkt erwischt wurden (und ich glaube in diesem Moment wusste meine Mutter auch, wie die anderen Vasen zu Bruch kamen).
Und auch noch heute benutze ich hin und wieder eine Notlüge, zum Beispiel schiebe ich einen bestimmten Arzttermin schon seit mehr als einem halben Jahr vor mir her und erzählte den Schwestern immer wieder neue Ausreden, weshalb der Termin verschoben werden muss, wobei dieser auch nicht so wichtig ist, dass ich oder jemand anderes darunter leiden müsste, also völlig harmlos.
Solange eine Lüge nicht das komplette Leben eines Menschen kontrolliert oder das Leben eines (anderen) Menschen behindert oder zerstört, sind kleine kontrollierte Unwahrheiten meiner Meinung nach in Ordnung und keineswegs moralisch verwerflich.
Zusammenfassend lässt sich meine Ansicht mit einem Zitat von André Kaminski veranschaulichen: „Die Wahrheit ist das wertvollste aller Güter und soll gehandelt werden mit Sparsamkeit und Zurückhaltung.“
Inhalt
Eine Hausaufgabe zur Frage:
"Ist es gerechtfertigt und moralisch vertretbar, eine Notlüge zu gebrauchen oder hat der Mensch generell die Pflicht zu Wahrheit?
Welche Positionen vertreten Schopenhauer, Kant, die Utilitaristen, Stirner und die im Buch aufgeführten Philosophen?"

Im Buch aufgeführte Philosophen waren: Augustinus, Christian Wolff und Benjamin Constant.

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