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Benin - die politische Grundstruktur

Alles zu Afrika im 18./19. Jahrhundert

Die politische Grundstruktur Benins


Obwohl die Informationen für diese Daten unsicher sind, lässt sich die Existenz des afrikanischen Königreiches Benins auf den Zeitraum zwischen dem elften und dem neunzehnten Jahrhundert datieren. Das am Niger siedelnde Volk war nicht nur eine „hoch organisierte Gesellschaft von Ackerbauern“ (S.18, Z. 20)², sondern ein wirtschaftlich militärisch und politisch gefestigter Staat, dessen Oberhaupt der Oba war.
Trotz aller Turbulenzen wies Benin eine feste politisch-gesellschaftliche Struktur auf, die traditionell weiter erhalten und von den mitwirkenden Parteien streng verteidigt, aber auch durch viele Reformen einzelner Oba verändert wurde.
Voran muss erwähnt werden, dass Politik und Religion in Benin untrennbar waren. Die Religion war für das Volk der Edo ein Element ihres Lebens, welches alle anderen Aspekte ihres Daseins beeinflusste.
Der Oba lebte in einem ihm und seiner Welt gewidmeten Teil der Hauptstadt des Reiches, dem Ogbe. Dieser Teil der Stadt „war für die Edo der spirituell-religiöse Mittelpunkt der Welt und das Bindeglied zu den übermenschlichen magischen Kräften“ (S. 36, Z. 2/3)¹ des Obas, auf die später noch eingegangen werden soll. Dem Oba standen nicht nur eine enorme Anzahl von Sklaven und Dienern, sondern auch zahlreiche Würdenträger und Ratgeber zur Seite. Wie in jedem politischen System ist die Gewichtung von Macht von entscheidender Bedeutung für den „politischen Fluss“ von Dauerhaftigkeit und Effizienz. In Benin gab es zwar einen Herrscher, der im Zentrum der Macht stand, doch kann man nicht von einer Diktator in einem europäischen Verständnis des Begriffes sprechen. Denn neben dem Oba hatten verschiedene Gruppen und ihre Vertreter ebenfalls erheblichen Einfluss auf politische Entscheidungen.
Zusammenfassend kann man drei politisch einflussreiche Gruppen in Benin als den eigentlichen „Staatsapparat“ erklären. Erstens den Staatsrat, zweitens die „Eghaebho n'Ogbe“ (die Chiefs am Hofe des Obas) und die Town-Chiefs. Zwei weitere wichtige, jedoch nicht ständig politisch aktive, Mächte waren die Mutter des herrschenden Oba und das Volk selbst.
Der Staatsrat als ständiges Beratergremium des Oba setze sich zusammen aus den sieben „Uzama Nihinron“ und dem Iyase. „Wenn man Adel als unabhängig von Kulturen als einen Stand definiert, dessen Mitglieder durch Geburt mit Privilegien ausgestattet sind, […] dann kann man die Uzama als Hochadel bezeichnen“ (S. 36, Z. 22-24)¹. Die Uzama Nihinron oder „Königsmacher“ waren die älteste, ranghöchste und unabhängigste Gruppe im politischen Leben Benins. Der Name „Königsmacher“ geht auf ihre Initiative bei der Gründung des Amtes des Obas zurück, die in den Entstehungsmythen Benins weitererzählt wird. Sie waren es, die in einer Krise verhinderten, dass der „republikanische Vertreter“ Evian eine eigene Dynastie gründete und institutionalisierten den Oba als ranghöchsten Machtinhaber, der sein Amt an seinen erstgeborenen Sohn weitergab. Auch die Titel der sieben Uzama Nihinron waren erblich. Ihr Rang gleich nach der Position des Obas erlaubte ihnen an allen wichtigen Entscheidungen mitzuwirken. Sie waren relativ unabhängig, da sie außerhalb der Stadt ihre eigenen Höfe mit eigener Nahrungsmittelversorgung hatten. Der Ezomo besaß als oberster Heerführer eine bedeutende Position, die aufgrund des großen militärischen Potenzials in seinen Händen nicht unterschätzt werden durfte. Bedingt durch ihren Wohnsitz mag es ebenfalls dazu gekommen sein, dass sie die Interessen des umliegenden Landes vertreten haben könnten. Neben ihrer Beraterfunktion beruhte ihr Einfluss vor allem auf ihren zeremoniellen Ämtern. Die adeligen Uzama Nihinron sicherten in gewisser Hinsicht die Tradition des Reiches; sie waren es, die den Oba krönten. Tradition, Spiritualität und Eigenständigkeit waren die Basis ihrer Macht.
Der zweite Teil des Staatsrates war der Iyase, der höchstrangige bürgerliche Vertreter der Stadtbevölkerung. Er ernannte den Thronfolger, falls es zu Unklarheiten bei Übernahme des Thrones kam (trotzdem kam häufig zu blutigen Auseinandersetzungen). In Kriegszeiten hatte er militärische Befehlsgewalt. Überspitzt formuliert könnte man den Iyase als die bürgerliche Opposition gegenüber dem Oba bezeichnen, was allerdings nicht ganz zutreffend sein mag, da Oba und Iyase durchaus der gleichen politischen Meinung gewesen sein können.
Die „Eghaebho n'Ogbe“ oder „Palace Chiefs“ lebten am Hofe des Oba und führten dort vor allem organisatorische Ämter durch. „Hinter vielen Hofämtern in Benin […] kann man die Klugheit des Herrschers erkennen, politisch gefährliche Kräfte an den Hof zu binden und mit Privilegien unter Kontrolle zu halten“ (S. 36, Z. 18-20)¹. Die Ämter der 22 Palace-Chiefs waren erblich. Diese Adligen teilten sich noch einmal in drei Untergruppen auf, die sich jeweils um die Gewänder und Machtinsignien des Oba, die Haushaltsführung des Palastes und den Harem kümmerten. Folgendes Zitat soll die Bedeutung dieser politischen Gruppe, welche vermutlich nicht nur bei Ritualen sondern auch bei Beratungen/Versammlungen zu Gegen war, betonen: „Es war das ganze ein magisch politischer Apparat, von dem das Schicksal des Landes abhing. Jede der vielen Details der Kleidung des Oba war ein Symbol, dessen fehlerhafter Zustand ein Ritual entwertete, Götter und Geister kränken und böse Kräfte entfesseln konnte. Handlungen und Gesten des Oba waren sakrale Verrichtungen, die sich an Lebende und Tote richteten und fehlerlos sein mussten“ (S. 37, Z.10 ff.)¹.
Das Besondere bei den Town-Chiefs war, dass sie als einzige Akteure im Staatsapparat gewählte Vertreter waren. Die Stadt Benin City war eingeteilt in Ogbe und Orenokhua. Orenokhua war die Stadt der Bürger, die sich in viele Viertel aufteilte. In jedem Viertel arbeitete eine spezifische Berufsgruppe, dessen männliche Familienoberhäupter Versammlungen abhielten und ihre Vertreter, ihre Chiefs, wählten (Vgl. S. 34, Z.12 f.)². Über den genauen Grad des politischen Einflusses dieser Gruppe ist wenig bekannt. Aber da sie das quasi Volk der Stadt vertraten, durften ihre Stimmen nicht überhört werden.
Das Volk von Benin wählte seinen Herrscher nicht. Jedoch hatte es hohe Ansprüche an die Art und Weise der Ausführung seiner Herrschaft. War das Volk in keiner Weise mit den Taten, dem Charakter oder der körperlichen und psychischen Verfassung ihres Herrschers einverstanden, konnte es zu einer Verbannung oder den Mord an ihm kommen. Die zustimmende oder ablehnende Haltung des Volkes gegenüber einem Oba, konnte direkt oder indirekt (über die Unterstützung von nicht seltenen Intrigen) über Herrscherfall oder über Machtergreifung eines potentiellen Thronfolgers entscheiden.
Eine weitere einflussreiche Person in dem Machtgefüge Benins war die Mutter des herrschenden Oba. Sie lebte auf ihrer eigenen Residenz außerhalb des Ogbes. Nach der Schlacht von Idah lebte sie außerhalb Benin Citys in ihrem eigenen Königreich Uselu. Jacob Egharevba berichtet, dass Oba Esigie (ca.1500) seiner Mutter nach der Schlacht um Idah den Titel „Iyoba von Uselu“ gab, weil sie ihn mit ihren Truppen militärisch unterstützt und dadurch den Krieg für Benin entschieden hatte (Vgl. S. 47, Z. 38)². Dass die Mutter des Herrschers ihren Sohn in diesem Maße unterstützen konnte zeigt, dass sie nicht nur eine militärische Macht repräsentierte, sondern auch die Autorität und den Willen hatte diese einzusetzen. Olaf Dappert formuliert ihre politische Rolle: „Bei Staatsgesprächen hat sie ein wichtiges Wort mitzusprechen und stets wird ihr Rat eingeholt“ (S.35, Z. 42-44)².
Der Oba war nicht nur die Spitze des politischen Machtgefüges in Benin. Er war nicht nur Kriegsherr und engagierter Kaufmann. Seine religiös-spirituelle Bedeutung mag für das Volk
Benins vielleicht wichtiger gewesen sein, als seine Innen-oder Außenpolitik. Denn für die Edo war er der Mittler zwischen dem Dies- und dem Jenseits. Tod und Leben waren in Benin zwei Welten, die zueinander in ständiger Wechselbeziehung standen. Nur der Oba hatte die Fähigkeit zwischen den beiden Welten zu vermitteln. Er war kein Gott, sondern die Verkörperung des Göttlichen im Diesseits: „[…] weil kein lenkender und richtender Gott über der Welt stand, sondern das Göttliche (oder Heilige) im Herrscher selbst verkörpert war“ (S. 37, Z. 21-23)¹. Ihm stand bei Ritualen und Straßen als einziger das Recht über Leben und Tod zu.
Er war die oberste richterliche Instanz bei Streitfällen unter den Adligen oder den Chiefs. Da die Untertanen ihn selten zu sehen bekamen ist es unwahrscheinlich, dass er auch in ihren Fällen Urteile sprach. Auch „[…] die Erhebung in höhere Ränge […] war[...] die Sache des Oba, der daraus politische Macht gewann“ (S. 37, Z.1/2)¹. Wagen wir einen Sprung zu den königlichen Höfen in Europa zur selben Zeit der Herscherdynastien in Benin, sehen wir wie der Adel sich um Rang, Ansehen und Macht streitet. Die gleiche Motivation hatte der Adel Benin ebenfalls inne und gab damit dem Oba eine ausschlaggebende Machtposition. Der Wettbewerb um Macht und Einfluss war eine treibende Kraft der Innenpolitik des Reiches. In gewisser Weise mag seine Herrschaft sogar von seiner Fertigkeit der Machtum-und Verschichtung abhängig gewesen sein, denn unzufriedene Adlige konnten zu innenpolitischen Krisen führen, die radikal und mit Gewalt gelöst wurden.
Er war insofern in seinen Entscheidungen vermutlich nicht ganz frei, sondern musste versuchen sich eine drohende gewaltsame Opposition durch geschickte Politik vom Hals zu halten. Ihm als Herrscher oblag es, die Macht der übrigen politischen Gruppen festzulegen, zu kontrollieren und in die gewünschte Richtung zu lenken. In Folge dieser Überlegung lässt sich behaupten, dass es sich bei der politischen Grundstruktur Benins nicht um ein statisches sondern ein sehr anpassungsfähiges Gefüge handelte. Interessant ist auch, dass viele Ämter, auch die auf militärischer Basis beruhten, aus Bedarf an Privilegien und nicht aus Bedarf an der Besetzung einer Stelle geschaffen wurden. Der Oba musste nun einmal versuchen, seine Macht als Titelverleihe zu behalten und daher auch Motivationen für den Wettbewerb des Adels schaffen. Dies soll nicht die Bedeutung der spirituellen Aufgaben der Menschen am Hofe abwerten, doch mag eine zusätzliche politische Begründung für die im Text als spirituell abgehandelte Bedeutung der Palace-Chiefs sein.
Provokativ formuliert könnte man das Volk Benins als „temporären demokratischen Mob“ bezeichnen, der seine Wünsche bei Bedarf gewaltsam durchsetzte: „Einige Jahre nach Evians Sieg über Osogan verbannte das verärgerte Volk Owodo wegen seiner schlechten Herrschaft und ernannte Evian wegen seiner früheren Verdienste um das Volk zum Verwalter der Staatsgeschäfte“ (S.25, Z. 35-39)². Eine offene Frage dieser Quelle ist, wer genau das Volk ist. Doch bedeutend ist, dass ein Herrscher aufgrund seiner Qualitäten abgesetzt und verbannt, ein anderer erwählt und eingesetzt wird. Zwar ist dies eine Ausnahme in der Geschichte Benins, doch es zeigt, dass zumindest die Möglichkeit der Durchsetzung des Willens der Mehrheit (des „Volkes“) existierte. Wie in einer frühen Form der Demokratie in Athen, wurde hier die Verbannung als Konsequenz einer für die Gemeinschaft unzufrieden stellenden dominanten Person gewählt.
Wer das mit allem Zwang versucht, mag hier einen kleinen demokratischen Keim entdecken. Benin lässt sich zu keiner von uns bekannten Staatsform zählen. Es war weder eine Diktator noch Demokratie noch Anarchie etc. installiert. Es war ein ausbalanciertes Machgewebe von Politik und Religion und es hat einen Staat aufrechterhalten bis die Briten ihn zerstörten.

Anna-Fee Gessner
¹ Textgrundlage: „Afrika-ferner Nachbar“, Herbert Prokasky, Verlag Ferdinand Schöningh, Band 8, 2001, Paderborn, S. 36/37, „Der Oba als Gottkönig/ Symbole, Rituale und Feiern“
² Sekundärquellen aus dem gleichen Buch: „Afrika-ferner Nachbar“…
Inhalt
Ausarbeitung, Afrika, Benin (Reich am Niger 1200-1897), Beschreibung der Staatsstruktur und der Kultur Benins (das Volk der Edo): Der Oba, der Staatsrat (Uzama Nihinron), die Chiefs am Hof des Oba (Eghaebho n'Ogbe), die Town-Chiefs, die Königin-Mutter und das Volk. Kann man diese afrikanische Staatsstruktur mit unseren Demokratien vergleichen? (1735 Wörter)
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