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Goethe, Johann Wolfgang - Faust I und II - Rollenbiografie von Gretchen

Alles zu Johann Wolfgang von Goethe

Gretchens Rollenbiografie



Innerhalb von einem Jahr hat sich mein Leben total verändert.
Ich bin nun im Kerker, Heinrich hat mich gerade verlassen. Wohl für immer. Und bald werde ich diese Welt verlassen. Ebenfalls für immer.
Ich hätte nie gedacht, dass mein Leben einmal mit einer Hinrichtung enden würde. Vor einem Jahr sah alles noch ganz anders aus. Damals wohnte ich friedlich mit meiner Mutter und meinem Bruder in einem kleinen Häuschen vor der Stadt. Mein Vater war schon früher gestorben, hatte uns aber ein schönes Vermögen hinterlassen. Und wir hatten ja noch den Sold meines von Valentin, er war Soldat. Der Tod meines Vaters traf uns aber doch hart. Vor allem meine Mutter. Kurz nach seinem Tod hat sie noch ein Töchterchen zur Welt gebracht. Mein Schwesterchen. Und Mutter kam einfach nicht wieder zu Kräften. Der Kummer hatte sie wohl geschwächt. Also kümmerte ich mich um den kleinen Wurm. Oft war es sehr anstrengend und ermüdend, aber ich habe sie während dieser Zeit sehr liebgewonnen und es schmerzte mich sehr, als sie starb. Aber zum Glück wurde wenigstens meine Mutter wieder gesund. Nachts ruhig und fest durchschlafen konnte sie seither aber nicht mehr.
Ich führte ein hartes, einfaches Leben. Wir hatten kein Mädchen, also musste ich tüchtig im Haushalt mit anpacken. Fegen, putzen, bügeln. Aber es war doch ein schönes Leben. Ich hatte meinen festen Platz, meine festen Aufgaben und Richtlinien, an die ich mich hielt. Eine sehr wichtige Rolle in meinem Leben spielte die Kirche. An der Existenz Gottes habe ich sowieso nie gezweifelt. Und der Glaube an ihn gab mir auch sehr viel. Gottesdienste und andere christliche Riten geben mir auch heute ein tiefes Gefühl von Ruhe und Zufriedenheit. Gott ist es, an dem ich mein Leben ausrichten muss, wenn ich das getan hätte, wäre ich jetzt nicht in dieser Situation, meine Mutter und mein Bruder würden noch leben.
Kurz nach Ostern bin ich Heinrich zum ersten Mal begegnet. Er hielt mich auf der Straße an, nannte mich "schönes Fräulein" und wollte mich begleiten. Ich habe abgelehnt, aber eigentlich fühlte ich mich doch geschmeichelt. Noch nie hatte mich jemand so hochachtungsvoll behandelt. Immerhin war ich damals nur ein armes, einfaches 17-jähriges Mädchen. Und ihm sah man auf dem ersten Blick an, dass er gebildet und aus edlem Hause war. Und seine edle Gestalt, seine gleichmäßigen Gesichtszüge, überhaupt sein ganzes Auftreten hinterließen einen tiefen Eindruck bei mir.
Als sich herausstellte, dass der teure Schmuck, den ich bekam, von ihm war, fühlte ich mich wieder sehr geschmeichelt. Dass so ein Mann wirkliches Interesse an mir hatte! Und von da an ging alles sehr schnell. Ich gestand ihm meine Liebe, er schien sie zu erwidern, um mit ihm zusammen zu sein, gab ich meiner Mutter den Schlaftrunk, der sie töten sollte. Obwohl mir eigentlich bewusst war wie unterschiedlich wir waren und dass eine Beziehung. Als mein Bruder von meiner Unzucht erfuhr, tötete ihn Heinrich im Duell. Und ließ mich daraufhin allein zurück. Auf einen Schlag hatte ich alles verloren, was mir lieb und teuer gewesen war. Und nachdem mein Bruder meine Schande bekannt gemacht hatte, wandten sich auch alle anderen von mir ab. Ich konnte das nicht ertragen. Ich hatte noch nie in meinem Leben so blanke Verachtung erlebt. Und ich hatte keinen mehr, an den ich mich um Hilfe wenden konnte.
Und doch befreit mich das nicht von der größten Schuld, die ich daraufhin auf mich lud. Ich kann mich nicht ganz klar erinnern, wie es passiert ist. Seit Valentins Tod schien mein ganzes Leben wie ein Alptraum. Und mit der Zeit war ich mir immer weniger bewusst, was ich tat. Und seit jener Tat war ich wohl vollends von Sinnen. Erst nach Heinrichs kurzem Besuch kam ich wieder zu mir. Und sehe alles in einer Klarheit wie niemals vorher.
Ich habe mein eigenes Kind umgebracht. Ich habe es ertränkt. Meinen und Heinrichs Kind. Und deshalb habe ich nur noch wenige Stunden bis zu meiner Hinrichtung. Ich hätte eine Möglichkeit gehabt ihr zu entfliehen. Heinrich war vor ein paar Stunden bei mir. Er wollte dass ich mit ihm fliehe. Beinahe hätte ich es getan. Es schien mir, als sei es wieder Frühling. Ich ein unschuldiges Mädchen, glücklich in einer Beziehung mit einem Mann, der meine Liebe von tiefstem Herzen erwidert. Ich liebe Heinrich. Immer noch. Aber er tut es nicht mehr. Oder hat es vielleicht nie getan. Er hat es mir zwar oft versichert, aber vielleicht wollte er auch nur selbst glauben, dass er mich liebt. Und doch kam er um mich zu retten. Ich wäre dieser Hinrichtung entkommen. Aber was wäre dann gewesen. Ich habe Schuld auf mich geladen und muss dafür büßen. Wenn die Strafe nicht in Form dieses Schwertes kommt, kommt sie in einer anderen Form. Ich kann nicht vor ihr fliehen. Und nicht vor meinem Gewissen. Und Heinrich und ich hätten keine gemeinsame Zukunft gehabt. Das hatten wir wohl von Anfang an nicht. Aber Heinrich schien mir so ein guter Mann. Und meine Liebe zu ihm war so stark, dass mir nie der Gedanke kam, sie könnte falsch sein. Und auch als ich meinem und seinem Verlangen nachgab, empfand ich es nicht als Sünde. Aber nun bin Mutter-, Bruder- und Kindsmörderin. Mein Leben ist verwirkt. Alles, worauf ich hoffen kann, ist Gotte Gnade, durch die er mir Seelenheil gewährt. Aber was wird bloß aus Heinrich? Heinrich!
Inhalt
Gretchen ist im Kerker und schildert die Ereignisse des vergangenen Jahres aus ihrer Sicht
- ihr Verhältnis zu Heinrich
- ihr Leben in der Familie
- die Tötung ihres Kindes
- ihr Abschied von dieser Welt (880 Wörter)
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