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Interpretation der Kafka-Parabel "Heimkehr" und Vergleich mit dem biblischen Gleichnis vom verlohren

Alles zu Franz Kafka  - HeimkehrInterpretation der Kafka-Parabel „Heimkehr“ und Vergleich mit dem biblischen Gleichnis „Der verlorene Sohn“
Gliederung zum Hausaufsatz
I. Allgemeine Informationen zu Autor und der ParabelHeimkehr“ von Franz Kafka
II. Aufbau des Textes
Inhaltsangabe des Textes
Figurenkonstellation im Text
Charakterisierung des Sohnes
Charakterisierung des Vaters (indirekte Aussagen des Sohnes über den Vater)
Aussagen über andere, dem Erzähler unbekannte Personen
3. Gliederung des Textes in Sinnabschnitte
(Exposition, Hauptteil, offenes Ende)
III. Form des Textes
Definition des Begriffs Parabel
biblisches „Gleichnis vom verlorenen Sohn“ als Vorlage
Inhaltsangabe des Gleichnisses
Erzähltechnik
a) Erzählperspektive: Ich-Erzähler
b) Erzählweisen: berichtendes Erzählen in der Exposition – innerer Monolog
in Hauptteil
c) Zeitaufbau im Text: Zeitdeckung in der Exposition – Zeitdehnung in
Hauptteil und Schluss
IV. Sprachliche Besonderheiten im Text
grammatikalische Besonderheiten im Text
melancholische Stimmung
Syntax
rhetorische Fragen
Satzbau: Parataxe in der Einleitung – Hypotaxe im Hauptteil
weitere Satzfiguren
rhetorische Stilmittel und deren Bedeutung
V. Interpretation der Parabel
1. Erklärung der im Text verwendeten Symbole
2. Aussageabsicht des Autors (Gottsuche und Scheitern des Menschen)
3. Vergleich mit der Aussage des biblischenGleichnisses vom verlorenen Sohn“
und Grund des Bezugs auf dieses Gleichnis
4. Wirkung auf den heutigen Leser
Der Autor der ParabelHeimkehr“, Franz Kafka (1883-1924) gilt als bedeutender Vertreter des Expressionismus. Kafka schrieb diese Parabel 1920, ein Jahr nach dem Höhepunkt des konfliktreichen Verhältnisses zu seinem Vater, welches mit dem 61seitigen „Brief an den Vater“ 1919 gipfelt. Wie alle Werke Kafkas wurde auch dieser Text von Max Brod, einem Freund Kafkas, veröffentlicht. Der Titel „Heimkehr“ stammt nicht von Kafka selbst, sondern wurde mit der Veröffentlichung 1936 ebenfalls von M. Brod hinzugefügt.
Thema des Textes ist die Rückkehr eines Sohnes nach Hause und die von ihm dabei wahrgenommenen Eindrücke und Emotionen.
Der Sohn eines Bauern kehrt nach Hause zurück und beschreibt, wie sich der Hof seines Vaters verändert hat, bzw. was unverändert geblieben ist, seit er weggegangen war. Vieles was er auf dem Hof sieht erscheint ihm fremd und unheimlich. Alles ist dort in Unordnung und versperrt den Weg, in der Mitte des Hofes ist eine Pfütze (vgl.Z.4), welcher er erst ausweichen muss um zum Haus zu gelangen und eine Katze lauert auf einem Geländer Eindringlingen auf (vgl.Z.5). Da er nicht mutig genug ist an der Küchentüre anzuklopfen, bleibt er in einiger Distanz stehen und horcht unauffällig, um nicht bemerkt zu werden den Geräuschen die er wahrnimmt oder glaubt zu hören. Er bemerkt „Einen leichten Uhrenschlag [...] herüber aus den Kindertagen“ (Z.20-22). Der Bauernsohn fasst nicht den Mut, einzutreten und sich der Situation zu stellen, da er nicht weiß, wie sein Vater und seine Familie reagiert, wenn sie ihn wieder sehen und ob er von ihnen überhaupt noch willkommen ist. Am Ende der Handlung ist es für den Leser nicht klar ersichtlich, ob der Sohn ins Haus eintritt oder sich wieder entfernt und nicht zur Familie zurückkehrt.
Die wichtigste und zentrale Person des Geschehens ist eindeutig der Sohn, da er der Erzähler der Handlung ist und nur seine Sichtweise beschreibt. Der Leser erfährt aber dennoch keine Details aus der Vergangenheit der Hauptperson. Warum, wann und wohin der Protagonist von zu Hause weggegangen ist, wird dem Leser nicht mitgeteilt. Auch über die Zeitdauer des Fernbleibens vom Elternhaus wird nichts ausgesagt, sondern man kann nur vermuten, dass der Bauernsohn nach langer Zeit zurückkehrt, da ihm viele Dinge, die er bemerkt, unbekannt erscheinen. Dies kommt besonders zum Ausdruck, als er Angelegenheiten erwähnt, „Die ich [der Sohn] teils vergessen habe, teils niemals kannte.“ (Z.13) Der Sohn nimmt alle seine Eindrücke sehr subjektiv und emotional wahr. Er zweifelt stark daran, ob er zu seiner Familie zurückkehren soll und sagt über sich selbst: „Ich bin sehr unsicher.“(Z.11) und fragt sich, ob er sich wie zu Hause fühle (vgl. Z.10). Ihm wird klar, dass er zu Hause nicht willkommen ist und abgelehnt wird, da er kein gutes Verhältnis zu seiner Familie und zum Vater hatte.
Über den Vater erfährt man nur etwas von dem Sohn selber. Er wird autoritär und dominant dargestellt, da immer nur von des Vaters Haus (vgl. Z.11) und des Vaters Hof (vgl.Z.2) die Rede ist. Der Vater wird nur als Besitzer des Hofes dargestellt. Durch diese Formulierungen erfährt man auch, dass sich der Sohn zu Hause nie frei fühlte, sondern nur vom beherrschenden Vater unterdrückt wurde. Der Vater wird im Text auch nicht kritisiert oder verbal angegriffen, sondern es wird fast gar nichts über ihn ausgesagt was ausdrückt, dass der Erzähler ein gestörtes Verhältnis zu ihm hat.
Außer dem Sohn und dem Vater werden noch Personen erwähnt, die der Hauptperson unbekannt sind. „Wer wird mich empfangen? Wer wartet hinter der Tür der Küche?“ (Z. 7/8) fragt sich die Hauptfigur und bezeugt damit, dass er die Menschen, die im Haus sind, nicht (mehr) kennt.
Der Text gliedert sich in drei Abschnitte. In der Einleitung werden äußere Eindrücke beschrieben. Der Sohn kommt nach Hause und versucht zuerst alles zu überblicken. Der Hauptteil handelt von den Bedenken des Sohnes. Ihm kommen erste Zweifel auf, wie er von seiner Familie empfangen wird, wenn er ins Haus eintritt und ob er sich hier zu Hause fühlt (vgl. Z.10).Als Nächstes erkennt er, dass er nicht willkommen ist und sehnt sich nach seiner Kindheit, welche er als glückliche Zeit empfand. Wegen dieser Erkenntnis erscheint ihm die Heimkehr nun immer fremder und er zögert mit dem Eintreten. Das Ende ist offen; es wird nicht gesagt, ob der Sohn ins Haus eintritt und wie seine Familie reagieren wird.
Bei diesem Text handelt es sich um eine Parabel, da man die Aussage der Geschichte nicht in der Handlung, sondern im Übertragenen findet. Die Aussage einer Parabel kann nur nach mehreren Überlegungen verstanden werden. Der Leser wird aufgefordert, den Sinn zu verstehen, indem er das Wiedergegebene mit einer Sachebene, z.B. mit eigenen Erfahrungen, mit der Realität oder mit geschichtlichen Ereignissen kombiniert. Demnach besteht eine Parabel aus einer Bildhälfte, welche Auskunft über Handlung, Personen und deren Emotionen gibt, und aus einer Sachhälfte, die sich der Leser selbst erschließen muss. Beide Teile treffen am Ende der Handlung im Vergleichspunkt, dem sog. tertium comparationis zusammen.
Kafka verwendet diese Textgattung, um in Rätseln zu schreiben und um dem Leser die Möglichkeit zu geben, sich selbst die Aussage der Handlung zu erschließen.
Als Vorlage zu dieser Parabel diente Kafka das biblische „Gleichnis vom verlorenen Sohn“ im Lukasevangelium, in welchem auch die Rückkehr eines Sohnes beschrieben wird. Im Gegensatz zu KafkasHeimkehr“ werden hier Auskünfte gegeben, warum der Sohn von zu Hause weggeht, bzw. warum er wieder nach Hause zurückkehrt. Das biblische Gleichnis handelt von einem Sohn, der sich seinen Erbteil auszahlen lässt und in die weite Welt zieht. Dabei lässt er seinen Vater und seinen älteren Bruder zu Hause zurück. In der Fremde verprasst er sein Geld, indem er ein ausschweifendes Leben führt. Da es ihm zunehmend schlechter geht und wegen einer Hungersnot am Rand des Ruins steht, beschließt er nach Hause zurückzukehren, er zweifelt aber, ob sein Vater ihm verzeihen wird. Er wird jedoch von seinem Vater freudig empfangen und dieser feiert aufgrund seiner Freude mit ihm ein Fest, was den Neid des Daheim gebliebenen, pflichtbewussten älteren Sohnes weckt, woraufhin der Vater diesen belehrt: „Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wieder gefunden worden.“
Der Erzähler schreibt in der Ich – Perspektive, d.h. in der ersten Person Singular. Er ist am Geschehen beteiligt und gibt äußere Eindrücke und von ihm empfundene Emotionen aus seiner Sicht wieder.
In der Exposition nimmt er eine berichtende Erzählhaltung ein, welche aber bald in einen inneren Monolog überwechselt. Zunächst stellt der Erzähler die Gesamtsituation dar: „Ich bin zurückgekehrt. Ich habe den Flur durchschritten und blicke mich um. Es ist meines Vaters alter Hof. [...] Ich bin angekommen.“ (Z.1-7) Mit den rhetorischen Fragen „Wer wird mich empfangen? Wer wartet hinter der Küche?“ (Z.7/8) beginnt der innere Monolog, der bis zum Ende andauert. Dieser Wechsel zweier Erzählweisen wird ganz bewusst eingesetzt, um zum einen Informationen über den Ort der Handlung zu geben, zum anderen aber auch um die Gedanken und subjektive Wahrnehmung der Hauptperson darzustellen.
Besonderen Wert legt der Autor auch auf die Gestaltung von Erzählzeit und erzählter Zeit. Während in der Einleitung beide Zeiten aufgrund der berichtenden Gestaltung in etwa deckungsgleich sind, verläuft der Hauptteil der Geschichte in Zeitlupe. Der Erzähler formuliert im inneren Monolog Gedanken und Gefühle aus. Dadurch erreicht er, dass die Erzählzeit länger andauert als die erzählte Zeit und dass der Schluss herausgezögert wird.
Der Autor wählt das Präsens als Zeitstufe, um den Leser in die Handlung zu integrieren und um ihm die Möglichkeit zu geben, sich mit dem Protagonisten zu identifizieren. Der Autor schreibt an manchen Stellen im Konjunktiv „als wäre“ (Z.12) und „werden könnte“ (Z.19), um die Unsicherheit des Protagonisten, welche im Text besonders stark zum Ausdruck kommt als der Sohn sagt, er sei unsicher (vgl. Z.11) aufzuzeigen.
Die vielen Adjektive und Adverbien, wie „Altes, unbrauchbares Gerät“ (Z.3), „Ein zerrissenes Tuch“ (Z.5), „heimlich“ (Z.10) oder „unsicher“ (Z.11), um nur einige Beispiele zu nennen, sollen den Hof beschreiben, geben aber dabei auch die Stimmung des Sohnes wieder.
Mittels der vielen Adjektive erzeugt Kafka in dem Text eine traurige Stimmung. Der Sprachstil wirkt daher sehr emotional und verbreitet eine starke Melancholie. Alles wirkt hier grau und trostlos, auch die Gedanken des Erzählers schildern eine gewisse Schwermut.
Neben den rhetorischen Fragen „Wer wird mich empfangen? Wer wartet hinter der Tür der Küche?“ (Z.7/8) und „Ist dir heimlich, fühlst du dich zu Hause?“ (Z.10) am Anfand des Hauptteils existieren am Schluss noch zwei weitere „Wie wäre es, wenn jetzt jemand die Tür öffnete und mich etwas fragte. Wäre ich dann nicht selber wie einer, der sein Geheimnis wahren will.“ (Z.26/27), die wegen des Punktes am Satzende anstatt eines Fragezeichens optisch nicht unmittelbar als solche erkennbar sind. Diese rhetorischen Fragen sollen die Unsicherheit und Ratlosigkeit des zurückgekehrten Sohnes unterstreichen.
In der Einleitung verwendet der Autor parataktischen Satzbau, um äußere Wahrnehmungen und Gedanken des Erzählers knapp darzustellen, wohingegen er in Hauptteil und Schluss vorwiegend in längerem hypotaktischen Satzbau schreibt. Die Reihung von Hauptsätzen gibt dem Autor die Möglichkeit, die einfache Denkweise der Hauptfigur wirkungsvoll wiederzugeben. In der Exposition nimmt er diese Satzform her um zu berichten und die Umgebung zu beschreiben. Schon in den ersten Zeilen der Parabel ist die Parataxe besonders deutlich zu erkennen: „Ich bin zurückgekehrt, ich habe den Hof durchschritten und blicke mich um. Es ist meines Vaters alter Hof. Die Pfütze in der Mitte. Altes, unbrauchbares Gerät, ineinanderverfahren, verstellt den Weg zur Bodentreppe. Die Katze lauert auf dem Geländer.“ (Z.1-5).
Die hypotaktischen Satzgefüge des Hauptteils „kalt steht Stück neben Stück, als wäre jedes mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, die ich teils vergessen habe, teils niemals kannte.“ (Z.12-14) oder auch „Und weil ich von der Ferne horche, erhorche ich nichts, nur einen leichten Uhrenschlag höre ich oder glaube ihn nur zu hören, herüber aus den Kindertagen.“ (Z. 19-22) geben den Gedankengang des Sohnes wieder und versuchen diesen zu begründen.
Weiterhin werden Satzfiguren wie Ellipse „Die Pfütze in der Mitte“ (Z.3/4), welche eine kurze und knappe Darstellung - auch hinsichtlich der Parataxe im ersten Teil – ermöglicht, Parallelismus „Ich bin zurückgekehrt, ich habe den Flur durchschritten“ (Z.1), „Ich weiß es nicht, ich bin sehr unsicher“ (Z.10/11), „Was kann ich ihnen nützen, was bin ich ihnen“ (Z.14/15) und Parenthese „Des Vaters, des alten Landwirts Sohn“ (Z.15) verwendet. Der parallele Satzbau wird immer dann angewendet, wenn der Sohn unsicher ist, Vertrauen herbeisehnt und seine Zweifel zu unterdrücken versucht. Zur Ausschmückung und interessanten Gestaltung von Satzgefügen dient auch der parallele Satzbau, sowie der Chiasmus „und weil ich von der Ferne horche, [er]horche ich nichts“ (Z.19/20), der gleichzeitig auch inhaltlich, wie auch stilistisch gesehen, die Anapher des vorhergehenden Satzes „nur von der Ferne horche ich, nur von der Ferne horche ich stehend“ (Z.17/18) weiterführt.
Als rhetorische Stilmittel werden solche vor allem hergenommen, die die Melancholie des Textes wirkungsvoll ausschmücken und den Gedankengang des Sohnes beschreiben. Das Asyndeton im Hauptteil „Rauch kommt aus dem Schornstein, der Kaffee zum Abendessen wird gekocht“ (Z.8-10) soll den Leser in gewisser Weise irreführen, da ihn beide Aspekte ein Eintreten des Sohnes vermuten lassen. Dieses Stilmittel soll die Mutmaßung des Lesers unterzeichnen, denn ein Rauchender Schornstein und Kaffee zum Abendessen wecken Assoziationen der Geborgenheit und Wärme, welche der Sohn sich zwar ersehnt, aber nicht bekommt. Anaphern wendet der Autor an, wenn Gedanken und Handlungen des Protagonisten als sehr wichtig erscheinen, z.B. „Ich bin zurückgekehrt, ich habe“ (Z.1), „Wer wird mich [...], wer wartet“ (Z.7/8), „Ich weiß es nicht, ich bin sehr unsicher“ (Z.10/11) und „Was kann ich ihnen nützen, was bin ich ihnen“ (Z.14/15). Die Rückkehr, die Unwissenheit und die Apathie als Charaktereigenschaften, bzw. Taten der Hauptperson werden durch die gleichen Anfangswendungen hervorgehoben. Demselben Zweck dient auch die Repetitio „nur von der Ferne horche ich, nur von der Ferne horche ich stehend“ (Z.17/18).
Der Satz Meines Vaters Haus ist es, aber kalt steht Stück neben Stück , als wäre jedes mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, die ich teils vergessen habe, teils niemals kannte.“ (Z.11-15) ist unter rhetorischen Gesichtspunkten betrachtet einer der gewichtigste überhaupt. Auffällig ist hier zuallererst die Personifikation von Gegenständen, wie altes, unbrauchbares Gerät (vgl.Z.3), auf welches der Erzähler sich hier bezieht. Diese Personifikation wird durch die konjunktivische Formulierung zwar abgeschwächt, wird aber bewusst an dieser Stelle eingesetzt, damit die Unbedeutsamkeit der Werkzeuge ersichtlich wird, welche der Autor durch den Pleonasmus „Stück neben Stück“ (Z.12) ausschmückt. Er wiederholt hier überflüssigerweise das Wort „Stück“, was nur eine ästhetische Wirkung erzielt.
Kafka stellt mit der Parabel eine Situation dar, welche in vielen seiner Werke beschrieben wird. Eine Person steht vor einer Tür und findet keinen Einlass gewährt, da sie ihn sich selbst durch ihr Handeln und ihre Gedanken versperrt. Der zurückgekehrte Sohn nimmt wahr, dass er sich hier nicht wie zu Hause fühlen kann, da alles trostlos wirkt, z.B. „Altes, unbrauchbares Gerät“ (Z.4).Er befindet sich vor der Küchentüre in einer Welt die ihm feindlich und bedrohlich erscheint. „Die Pfütze in der Mitte“ (Z.4) steht ihm im Weg und er muss ihr ebenso wie dem alten unbrauchbaren Gerät, das den Weg zur Bodentreppe verstellt (vgl.Z.4/5), ausweichen. Beide Gegenstände, die Pfütze und das Gerät stehen für Ereignisse oder Schicksalsschläge im Leben der Hauptperson, welche erst überwunden werden mussten, aber immer noch nicht bewältigt sind. Hinter der Küchentüre existiert eine angenehme und friedliche Welt, die der Sohn nicht durch sein Eintreten stören möchte. In der Küche wird Kaffee zum Abendessen gekocht (vgl.Z.9) und „Rauch kommt aus dem Schornstein“ (Z.8/9). Diese Tatsachen würden den Eintritt des Sohnes in die bessere Welt unterstreichen, doch er zögert und bleibt draußen stehen. Die Tür steht symbolhaft für die Himmelspforte. Der Mensch, in der Geschichte der Sohn, befindet sich vor dem Eintritt ins Paradies, hat die irdische Welt größtenteils hinter sich gelassen und wird aber nun von Zweifeln geplagt, ob er hinter der Pforte auch willkommen sei. Er wird sich seinen Sünden bewusst und sieht ein, dass er nicht würdig ist, ins Paradies einzutreten.
Der „Weg zur Bodentreppe“ (Z.4), der den Lebensweg und die Gottsuche versinnbildlicht, wird durch Hindernisse erschwert.
Nun bekommt der Mensch ein schlechtes Gewissen, welches ihm ähnlich der Katze auflauert (vgl.Z.5) und er wird von Zweifeln geplagt, ob er ins Himmelreich eintreten darf. Fast gleichzeitig erinnert er sich mit Wehmut an seine Kindheit zurück. Das Tuch, welches „Einmal im Spiel um eine Stange gewunden“ (Z.6) wurde, ist nun ebenso wie die unschuldige Kindheit zerrissen (vgl.Z.5). In der Kindheit, nach welcher der Sohn sich sehnt, war er noch nicht mit Sünden belastet und konnte ein unbeschwertes Leben führen. Dieses Sehnen nach der Kindheit wird am Schluss noch einmal aufgenommen: „Nur einen leichten Uhrenschlag höre ich oder glaube ihn vielleicht nur zu hören, herüber aus den Kindertagen“ (Z.20-22). Der Uhrenschlag zeigt dabei, dass diese Zeit nun endgültig vorbei ist und dass das Leben endlich ist. Das Leben erscheint zu kurz, um Sünden wieder gut zu machen und einen Weg ins Paradies, zu Gott, zu finden.
Im Mittelpunkt des ganzen Dilemmas steht das Scheitern des Menschen. Er sieht Gott als eine Instanz, der er gegenüber Pflichten zu erfüllen hat, möchte diesen ausweichen und wendet sich von Gott ab. Er ist auf sich allein gestellt und findet niemanden, der ihm bei dieser Suche helfen kann. Jeder ist mit Seinen eigenen Angelegenheiten“ (Z.13) beschäftigt und kümmert sich nicht um die Sorgen der Mitmenschen. Kafka selbst war ein Außenseiter in der damaligen Gesellschaft, dem der Ruhm als Schriftsteller nicht gegönnt wurde. Er war gescheitert und hatte die Hoffnung auf ein besseres Leben verloren. Nach dem Sinn des Lebens zu suchen erscheint deshalb sinnlos und hoffnungslos. Der Sohn fragt sich in diesem Zusammenhang „Was kann ich ihnen nützen, was bin ich ihnen“ (Z.14/15) und sagt drückt dabei die Härte und Zwecklosigkeit des Lebens aus. Er fügt sogar noch hinzu „und sei ich auch des Vaters, des alten Landwirts Sohn.“ (Z.15). Dies spiegelt den Zorn und die Gleichgültigkeit gegen Gott wieder.
Wie schon erwähnt, bezieht sich Kafka mit dieser Parabel auf das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn. Er schafft aber durch das Verhalten der Personen einen Gegensatz zu der Bibel. Der Evangelist Lukas charakterisiert mit den beiden ungleichen Söhnen zwei Sorten von Menschen, nämlich die einen, die sich von Gott abwenden, ihre Taten bereuen und bei Gott Vergebung finden und die anderen, die immer fromm bei Gott bleiben und dann am Ende einsehen müssen, dass sie nicht so reichlich belohnt werden, da sie schon ihr ganzes Leben lang Gottes Güte genossen haben. Der Sohn bei Kafka dagegen hat auch gesündigt,
versucht aber seine Taten vor Gott zu verstecken und verhindert sich deswegen den Eintritt ins Paradies. Er fasst nicht den Mut, Gott, oder in der Bildhälfte der Parabel dem Vater, seine Sünden zu beichten. Am Ende sagt er „Wie wäre es, wenn jetzt jemand die Tür öffnete und mich etwas fragte. Wäre ich dann nicht selber wie einer, der sein Geheimnis wahren will.“ (Z.25-27), was andeutet, dass er etwas zu verbergen hat.
Kafka hatte genauso wie der Sohn in der Parabel ein gestörtes Verhältnis zu seinem Vater.
Er wählte die biblische Geschichte als Vorlage, da er sich mit dem verlorenen Sohn identifizieren konnte. Er selbst war ein sehr religiöser Mensch, der sich mit der Frage befasste, warum die Gottsuche des Menschen scheitert. Der offene Schluss der Parabel, deutet an, dass er auf diese Frage keine Antwort weiß und sich auch nicht vorstellen kann, wie und ob er überhaupt hineingelassen, denn das „ ist das Geheimnis der dort sitzenden, das sie vor mir wahren“ (Z.23/24).
Auf den heutigen Leser wirkt die Parabel etwas unverständlich. Anfangs wird zwar anschaulich und ausführlich beschrieben, im Hauptteil ist die Handlung dann durch den inneren Monolog, die Gedankenwiedergabe der Hauptperson und den komplexeren Satzbau schwieriger zu verstehen. Kafka schreibt hier in Rätseln, um den Leser zum Denken zu bewegen. Es ist ihm aber sehr gelungen, vor allem durch grammatikalische und sprachliche Mittel, den Leser in die Handlung zu integrieren, ihm einen Einblick in das Denken des Protagonisten zu geben und ihm damit auch Eindrücke der damaligen Zeit zu geben. Dabei warnt er den Leser, keine schlechten Taten zu begehen, um nicht so wie der Sohn als Außenseiter oder Sünder dastehen zu müssen.
Vgl. Dieter Krywalski, Andreas Margrat, Christian Roedig: Kenn Wort 11 – Literaturgeschichtliches Arbeitsbuch. Schroedel Schulbuchverlag Hannover 1992 , S. 156
Die Bibel. Einheitsübersetzung. Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart 1980, Lk.15,31/32
Definition/Pleonasmus entnommen von: Arbeitsblatt Register von Fachausdrücken der Stilistik (beigelegt)
Inhalt
Hausaufsatz im Fach Deutsch über Inhalt, Form und Sprache der Parabel "Heimkehr" von Franz Kafka, sowie Interpretation der Aussage des Textes. (3232 Wörter)
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