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Essay zum Thema Lesen mit Fokus auf den Autor Max Frisch

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Essay zum Thema 'Lesen' mit Bezug zum Autor "Max Frisch"


Vorbemerkung: Diese Deutschklausur hat eine Bewertung von 14 Notenpunkten erhalten. Das bedeutet, es ist nicht perfekt und ist somit noch offen für Verbesserungen. Der sechste Abschnitt ist ein Textausschnitt von einem Text Max Frischs (näheres siehe unten).

Wenn ich ein Buch lese, und es nach einer halben Stunde offen auf den Tisch lege, bin ich oft nicht zufrieden. Mit der Art der Charaktere. Mit Ausdrücken, die der Autor verwendet. Mit der Handlung überhaupt. Dann stelle ich mir Fragen, wie zum Beispiel: Warum musste sie sterben? Ihre Schwester hätte es verdient! Aber damit muss man leben. Ein Buch wird es dem Leser nie recht machen können.

Wir kritisieren, bemängeln und vergleichen es mit einem uns besser scheinenden Roman, kauen jeden Fehler des Autors durch, bis wir jeden Satz zerlegt haben. Schließlich legen wir das Buch erleichtert beiseite und seufzen: "Das Nächste, bitte!". Natürlich hegen wir dabei die Hoffnung, beim nächsten Mal eine bessere Lektüre in die Hand zu bekommen. Hierbei muss jedoch kurz angemerkt werden, dass "besser" ein ziemlich relativer Begriff ist. Was ist anspruchsvoller? Was spricht mich mehr an? Interessiere ich mich eher für Dramen wie zum Beispiel "Antigone" oder greife ich doch lieber zu Rosamunde Pilchers "Die Muschelsucher"?

Meine Großmutter hat mir einmal erzählt, dass sie ein Buch gelesen habe, in dem stand: "Im Juli pflückte sie die saftigen, reifen Äpfel". Für diejenigen, die es nicht wissen: Äpfel sind im Herbst reif, nicht im Hochsommer. Das Einzige, was die Dame hätte ernten können, wären die schneeweißen Apfelblüten gewesen. Soviel zur Logik.
In beinahe allen Büchern gibt es Erstaunliches zu entdecken. Manchmal sind es nur unerhebliche Lappalien, manchmal können die Widersprüche den Leser aber auch irritieren, wie zum Beispiel die Tatsache, dass in Luca di Fulvios Roman, "Der Junge, der Träume schenkte", Sam, obwohl er sich zum fraglichen Zeitpunkt im Gefängnis befand, genau wusste, was Cetta, eine Prostituierte und seine Partnerin, tat. Diese Frage wurde nicht geklärt.

Trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen - machen uns diese Bücher glücklich. Sie sind unvollkommen, weil sie Fehler beinhalten, und doch vollkommen, da sie immer eine persönliche Note tragen. Zumindest trifft dies auf die Belletristik zu.
Leidenschaft ist es, die uns diese Werke hinterfragen lässt.

Max Frisch:

Die hundert Dinge nämlich, die dem Verfasser nicht einfallen, warum fallen sie mir selber erst ein, wenn ich ihn lese? Noch da, wo wir uns am Widerspruch entzünden, sind wir offenbar die Empfangenden. Wir blühen aus eigenen Zweigen, aber aus der Erde eines andern. Jedenfalls sind wir glücklich. Wogegen ein Buch, das sich immerfort gescheiter erweist als der Leser, wenig Vergnügen macht und nie überzeugt, nie bereichert, auch wenn es hundertmal reicher ist als wir. Es mag vollendet sein, gewiss, aber es ist verstimmend. Es fehlt ihm die Gabe des Gebens. Es braucht uns nicht. Die anderen Bücher, die uns mit unseren eigenen Gedanken beschenken, sind mindestens die höflicheren; vielleicht auch die eigentlich wirksamen. Sie führen uns in den Wald, wo sich die Wege in Sträuchern und Beeren verlaufen, und wenn wir unsere Taschen gefüllt sehen, glauben wir durchaus, dass wir die Beeren selber gefunden haben. Oder haben wir nicht? Das Wirksame solcher Bücher aber besteht darin, dass kein Gedanke uns so ernsthaft überzeugen und so lebendig durchdringen kann wie jener, den uns niemand hat aussprechen müssen, den wir für den unseren halten, nur weil er nicht auf dem Papier steht-.

Natürlich gibt es noch andere Gründe, warum die vollendeten Bücher, die nur noch unsere Bewunderung zulassen, nicht jederzeit unsere liebsten sind. Wahrscheinlich kommt es darauf an, was wir im Augenblick dringender brauchen, Abschluss oder Aufbruch, Befriedigung oder Anregung. Das Bedürfnis wechselt wohl von Mensch zu Mensch, ebenso von Lebensalter zu Lebensalter, und auf eine Weise, die man gern ergründet sähe, hängt es jedenfalls auch mit dem Zeitalter zusammen. Mindestens ließe sich denken, dass ein spätes Geschlecht, wie wir es vermutlich sind, besonders der Skizze bedarf, damit es nicht in übernommenen Vollendungen, die keine eigene Geburt mehr bedeuten, erstarrt und erstirbt. Der Hang zum Skizzenhaften, der unsere Malerei schon lange beherrscht, zeigt sich auch im Schrifttum nicht zum erstenmal; die Vorliebe für das Fragment, die Auflösung überlieferter Einheiten, die schmerzliche oder neckische Betonung des Unvollendeten, das alles hatte schon die Romantik, der wir zum Teil so fremd, zum Teil so verwandt sind. Das Vollendete: nicht gemeint als Meisterschaft, sondern als Geschlossenheit einer Form. Es gibt, so genommen, eine meisterhafte Skizze und eine stümperhafte Vollendung, beispielsweise ein stümperhaftes Sonett. Die Skizze hat eine Richtung, aber kein Ende; die Skizze als Ausdruck eines Weltbildes, das[...]

Max Frisch: Beim Lesen. Aus: Tagebuch 1946-1949. In: gesammelte Werke in zeitlicher Folge. Hrsg. v. Hans Mayer. Band 2: 1944-1949. Copyright Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1976. Alle Rechte bei und vorbehalten durch Suhrkamp Verlag Berlin.

[...]sich ständig verändert. Es wird erneuert, verbessert, geschliffen, erweitert - kurzum, es durchläuft einen unaufhaltsamen Wandel.
Und dadurch, dass wir immer und immer wieder neue Werke verfassen, erlebt jeder das magische Wort "Literatur" anders. Literatur wächst und gedeiht, sie wird vielfältig. Somit können dann auch Skizzen, die von meisterhafter Qualität zeugen, und erbärmlich schlechte Vollendungen entstehen.
Aber bemerken wir überhaupt, was "gut" und was "schlecht" ist? Wie gesagt: Alles, was wir bewerten, ist subjektiv, es lässt sich also nicht auf die Allgemeinheit übertragen.

Wir müssen lernen, zu lesen. Jawohl, Ihre Augen haben sich nicht getäuscht. Wir müssen lernen, aufmerksam den gedruckten Worten zu folgen, ihren Sinn zu erfassen, zu unterscheiden zwischen trivial und anspruchsvoll.
Wir müssen lernen, den Wortschatz des Autors zu überprüfen. Wie drückt er sich aus? Schreibt er lebendig, sodass man sich so richtig in die Charaktere hineinversetzen kann, oder ist der von ihm verfasste Text so dröge, dass man das Buch am liebsten zuklappen würde?

Sicher, alles ist individuell - oder sollte es zumindest sein -, doch muss jeder gewisse Ansprüche erfüllen können. Der Leser bewertet, der Schriftsteller liefert das Material. Öffnen Sie Ihre Augen für die Kunst des Lesens!
Inhalt
Dies ist ein Essay zum Thema, was uns an Büchern reizt, warum wir sie lesen und wie sie aufgebaut sind. (1051 Wörter)
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von Antje96
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