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Der Chinese in "Effi Briest" von Theodor Fontane

Alles zu Theodor Fontane  - Effi Briest

Der Chinese in "Effi Briest" von Theodor Fontane


Dass es den Spuk des Chinesen wirklich gibt, wird nirgendwo in Effi Briest behauptet (Quelle 5). Er ist nicht real und existiert nur in der Wahrnehmung der einzelnen Romanfiguren. Der Chinese hat eine vielfältige Deutungssymbolik, die sich im Laufe des Romans stetig ändert. Der Chinese wird durch ein Gespräch zwischen Innstetten und Effi eingeführt.

In der Entstehungszeit des Romans war China ein fernes, fremdes Land, mit dem man
gleichwohl Furcht aber auch die Sehnsucht nach dem Neuen und Abenteuern assoziierte, und es bot die Verlockung des Verführerischen, Erotischen und Sinnlichen.
Ihre erotischen Phantasien kommen in dem Wunsch nach einem fernöstlich eingerichteten Schlafzimmer zu Tage. Durch die wenig zärtlichen Briefe von Innstetten wird ihr jedoch zunehmend bewusst, dass ihre Phantasien und Vorstellungen keineswegs der Realität entsprechen werden.

In Kessin angekommen fühlt Effi sich zunehmend einsam und isoliert, und sie hat Angst in
den kessiner Adelskreisen nicht zu bestehen. Sie sehnt sich zurück nach ihrer unbeschwerten Zeit in Hohen-Cremmen.
Bereits auf dem Wege nach Kessin erfährt Effi von Innstetten von dem Chinesen . Dieser löst bei Effi dann auch ein gewisses Interesse aus, doch zugleich auch ein Gefühl der Furcht. Mit China verbindet sie, genauso wie die anderen Menschen ihrer Zeit, etwas aufregendes Neues und den Reiz des Sinnlichen, aber auch das Klischee des verschlagenen und hinterhältigen Chinesen . Im folgenden Geschehen nehmen ihre Ängste und Wünsche die Gestalt des Chinesen an, da dieser ein Sinnbild für jene ist.
Bereits in der ersten Nacht in Kessin hat sie Angst vor den Geräuschen, die sie in der
fremden Umgebung wahrnimmt. Effis Isolation und ihre Ängste vor dem Leben in Kessin werden größer, da sie sich mit dem Adel nicht anfreunden kann. Innstetten hat nur wenig Zeit für Effi und als er abreist, um den Fürsten zu treffen, verabschiedet er sich mit den lieblosen Worten: Warte nicht auf mich, Effi.
... Gehab dich wohl und auf Wiedersehen morgen früh.

Nun ist Effi für eine längere Zeit wieder allein und sie wird sich wieder bewusst, dass sie in
der Zweisamkeit mit Innstetten isoliert ist und ihre erotischen Bedürfnisse durch den Ehemann nicht erfüllt werden. Um ihre Einsamkeit zu vergessen und nicht ständig an die Vergangenheit in Hohen-Cremmen zu denken, versucht sie sich mit einem zufällig gewählten Buch abzulenken. Sie liest die Geschichte der sogenannten weißen Frau, die auf einem Bild im Schloss Ermitage abgebildet ist. Genau wie das Bild des Chinesen auf der Stuhllehne ist das Bild der Frau so im Schloss angebracht, dass es nicht gleich auffällt. Angeblich erschien der Geist der weißen Frau Napoleon, als dieser im Schloss übernachtete. Diese Geschichte beunruhigt Effi. In dieser Nacht scheint es so, als ob Effis Ängste und ihre Sehnsucht nach mehr Zärtlichkeiten ihren Höhepunkt erreichen. Angeregt durch die Geschichte der weißen Frau nehmen diese Ängste und die Sehnsucht nach Zärtlichkeit die Gestalt des Chinesens an, der an ihr Bett tritt.

Effi erscheint er sehr real und sie fürchtet sich vor ihm. Doch mit Innstetten kann sie nicht darüber sprechen, da er keine Sensibilität für Effis Ängste. Schon auf dem Weg nach Kessin von der Hochzeitsreise geht er nicht sofort auf ihre Bitte ein, das Thema zu wechseln, da ein Chinese immer etwas Unheimliches habe. Effi versucht auch, Innstetten dazu zu bewegen, den Auslöser der nächtlichen Geräusche, die Gardinen, zu entfernen. Innstetten lehnt ab.
Er erwartet von Effi eine Art Stolz auf den Spuk in ihrem Hause, denn ein Spuk würde
Adeligen gut stehen. Es scheint so, als veranstalte Innstetten eine Art Kult um den Chinesen.

Denn er hat den Saal und die vier anderen Räume im obersten Stockwerk seit seinem
Einzug nicht verändert. In einem dieser Zimmer steht der Binsenstuhl, auf dem ein Abziehbild eines Chinesen haftet und im Saal tanzte die Enkelin des Kapitäns vor ihrem Verschwinden zuletzt mit dem Chinesen. Dies lässt sich am besten aus einem Vergleich der Geschichte des Asiaten mit Innstettens erklären. Beide mussten in jungen Jahren auf ein geliebtes Mädchen zu Gunsten eines besser konstituierten älteren Mannes verzichten. Der Chinese stirbt durch diesen Verzicht. Innstetten erstickt seine Enttäuschung im Wechsel von Beruf und Ort .

Innstetten behauptet, dass sich Effi vor dem Chinesen nicht zu fürchten braucht, wenn sie ein reines Gewissen hat und sich den gesellschaftlichen Normen entsprechend verhält. Er wird so zum Wächter über Effis moralisches Verhalten.
Major Crampas zerstört bewusst dieses Bild vom Spuk des Chinesen, indem er Effi seine eigenwillige Deutung von Innstettens Worten darlegt. Crampas ist der Meinung, Innstetten versuche das Haus durch den Spuk interessanter zu machen, um seine Karriere zu fördern, da sich Ungewöhnlichkeiten nach oben hin besser empfehlen. Weiterhin behauptet er,
Innstetten würde den Spuk als Angstmittel zur Erziehung Effis nutzen, um sie während seiner Abwesenheit zur Einhaltung der Moral anzuhalten . Eine junge Frau ist eine junge Frau, und ein Landrat ist ein Landrat. Er kutschiert oft im Kreise umher, und dann ist das Haus allein und unbewohnt. Aber solch Spuk ist wie ein Cherub mit dem Schwert...
Crampas ist jedoch nicht für eine Beurteilung von Innstettens Handlungsweisen geeignet, da er die Absicht verfolgt, Effi zu verführen. Er will Innstettens Macht brechen, welche er durch den Chinesen über Effi hat. Es gelingt ihm auch und Effi verliert die Angst vor dem Chinesen und einem moralischen Fehltritt. Nach diesem Gespräch kann sie ohne Angst an dem Grab des Chinesen vorüber gehen.

Effi ist seelisch bereit für die folgende Affäre mit Crampas. Das Symbol des Chinesen wandelt sich. Der Chinese übernimmt die Funktion, Effi an den Ehebruch zu erinnern.
Johanna hat das Abziehbild des Chinesen in ihrem Portemonnaie mit nach Berlin gebracht.
Auf der Hochzeit der Enkelin - oder Nichte - des Kapitäns tanzt er mit dieser. Darauf verschwindet sie und er stirbt zwei Wochen später. Später wird die Vermutung geäußert, er sei ihr Liebhaber gewesen. So wird der Chinese immer wieder mit Untreue und dem Bruch mit gesellschaftlichen Konventionen verbunden. Seine Geschichte ist außerdem eine Vorausdeutung auf Effis Tod. Auch sie wird die Ehe brechen und durch diesen Verstoß gegen gesellschaftliche Normen verstoßen. Sie wird dafür von der Gesellschaft bestraft und stirbt schließlich. Die Enkelin des Kapitäns stirbt zwar nicht, verschwindet aber und wird nie wieder erwähnt. Ebenso wie der Chinese wird auch Effis Verführer Crampas durch den Ehebruch den Tod finden. Sowohl Effi als auch der Chinese werden nicht auf einem christlichen Friedhof begraben. Dem Chinesen wurde dieses durch die Kessiner verwehrt und er fand sein Grab in der Nähe des Kirchhofes.

Quellen:
1. Geist, Alexander: Mentor Lektüre Durchblick. Theodor Fontane. Effi Briest. München, 1999, S.41, 42
2. Reisner, Hanns-Peter; Siegel, Rainer: Lektürehilfen. Theodor Fontane. Effi Briest. Stuttgart, 1999, S.85-89
3. Hamann, Elsbeth: Oldenbourg Interpretationen. Theodor Fontane. Effi Briest. München, 1988, S.47
4. Fontane, Theodor: Effi Briest. Ullstein, Frankfurt/M, 1999, S.52-53
5. Grawe, Christian: Grundlagen und Gedanken zum Verständnis erzählender Literatur. Theodor Fontane.
Effi Briest. Frankfurt/M, 1993, S.112, 113
Inhalt
Eine Ausarbeitung über die Bedeutung des Chinesen für den Roman "Effi Briest" von Theodor Fontane. (1130 Wörter)
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